Wenn wir einmal mit Platon annehmen, dass wir tatsächlich drei Seelenteile haben, einen vernünftigen, einen mutvollen und einen begehrenden Seelenteil, dann können wir uns berechtigterweise fragen, wie diese drei Teile zusammengehören. Unsere Seele scheint uns ja durchaus eine Einheit zu sein - oder nicht?
Freilich, manchmal kennen wir das Gefühl, gespalten zu sein. Zum Beispiel, wenn wir weniger Zucker essen wollen, weil wir rational denken, dass Zucker unseren Körper schädigt, und gleichzeitig einen unglaublichen Appetit auf eine Zimtschnecke haben. In diesem Fall sind unsere drei Seelenteile im Streit miteinander, oder doch zumindest zwei davon. Denn der begehrende Seelenteil will unbedingt die Zimtschnecke essen, während der rationale Seelenteil dies verbietet.
Um eine Entscheidung treffen zu können, was wir denn nun tun sollen, also ob wir zum Bäcker laufen oder nicht, brauchen wir noch eine dritte Instanz. Und das ist unser mutvoller Seelenteil. Im besten Fall nämlich ist dieser stark und fest - aber nicht zu fest, sondern auch flexibel! - und hilft unserer rationalen Seele, sich gegen den begehrenden Seelenteil durchzusetzen. In diesem Fall wird der mutvolle Seelenteil zum Gehilfen der Vernunft und kämpft an seiner Seite wie ein Bundesgenosse. Wenn jedoch unser mutvoller Seelenteil sehr schwach sein sollte, unser begehrender Teil hingegen eine "wilde Bestie", wie Platon ihn manchmal nennt, dann übernimmt der begehrende Teil in der Seele das Regiment - und schon stürzen wir zum Bäcker.
Welch ein Glück, dass man seine Seelenteile richtig und gut erziehen kann. Zum Beispiel mit Sport und Musik, die den mutvollen Seelenteil trainieren, damit er genau das richtige Maß an flexibler Kraft und Stärke erreicht. Oder mit guter Literatur und Argumenten (logoi), mit denen wir unsere Vernunft klarer und unser Denken schärfer machen können. Auch den begehrenden Teil können wir erziehen, allerdings nur ein bisschen. Wenn wir zum Beispiel eine gewisse Zeit darauf achten, wenig Zucker zu essen, werden wir irgendwann ganz von selbst weniger Appetit auf Zucker haben.
Wenn wir dann alle Seelenteile gut trainiert haben, gelangt unsere Seele in einen Zustand von Gerechtigkeit und Harmonie. Dann hat unser rationaler Seelenteil (also die Vernunft) in der Seele das Sagen und hält, gemeinsam mit dem mutvollen Seelenteil, die "wilde Bestie" in Schach. Im allerbesten Fall fügt sich die "Bestie" (die dann eher ein kleines Schaf ist) selbst in ihre Rolle. Die Aufgabe des begehrenden Seelenteils besteht schließlich in der Ernährung des Körpers und der Sicherstellung von Reproduktion - was absolut notwendig ist für unseren Lebenserhalt. Jedoch sollte dieser Teil sich auf seine notwendigen Aufgaben konzentrieren und dabei nicht groß über die Stränge schlagen.
Wenn dann alle diese Faktoren erfüllt sind, dann wird aus unseren drei Seelenteilen nicht nur eine perfekte Harmonie, sondern auch ein Eines und Ganzes.
Drei Seelenteile in Harmonie
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