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jtrompeter

Der Spießer an sich


Oder auch „Kitsch aus“ - wie der Schlesier zu sagen pflegte.



Die Ausdrücke „Kitsch“ und „Spießer“ stehen nicht im Telefonbuch der Begriffe. Es ist schwer sie zu packen, zu entziffern, ihnen eine Definition zu verpassen. Deshalb versuchen wir es induktiv und führen eineMenge Beispiele dafür an, wer oder was alles spießig oder kitschig sei: der Nachbar mit demKunstrasen, Postkarten mit Teddybären, womöglich gar jemand aus der eigenenFamilie oder der höchstpersönlicheWandvorhang. Jemand mit Jalousie (alsoEifersucht) und ohne Knick in der Pergola, wie die Reklame besagt, die für Bausparverträge als Anleitung zum Spießersein wirbt.


Im etymologischen Wörterbuch kommt„Spießer“ von spieszen, also aufspieszen. Er ist somit der, der den Spiesz trägt; ein wie es scheint wachsamer und gewaltbereiter Hüter mit einer Lanze als Verlängerung des muskulösen Armes. Ja, vermutlich gar einer, der den Bürger in seiner Burg bewachen sollte, um ihn vor den drei großen V der feindlichen Legionen zu bewahren (Vandalen, Vrouwen, Vrittenverkäufer). Außerdem scheint der Spieszer auch eingeweihtes Tierchen zu sein, dessenKopfschmuck aber keine Zinken trägt. Es ziert ihn sozusagen ein kleines Geweih. Drum ist denn der gehörnte Mann vielleicht das männlich-menschliche Pendant?


„Kitsch“ hingegen wird das Kerngehäuse eines Apfels genannt, aber dem Grimmschen Wörterbuch nach ist er zudem in Form von„Kitsch aus!“ als schlesischer Ruf zumVerjagen von Katzen bekannt. Das könnteSinn ergeben, man stelle sich vor wie man mitKitsch gar die Katze aus dem Haus jagt! Und einen abgenagten Apfel gleich hinterher! Die nächste Fundstelle bringt Kitsch in denKontext von „Unkunst“, Pfuscherei undDilettantismus, zudem, so liest man, schaffe die Zivilisation den Kitsch zur Befriedigung des Bedürfnisses nach Rührseligkeit.


Wir haben also dem Lexikon nach folgendeDefinitionen:

Ein Spießer ist ein mit Lanze bewaffneter Hirsch. Kitsch hingegen entsteht beim dilettantischen Verjagen von Katzen mittels Apfelgehäusen zur Befriedigung eines Bedürfnisses nach Rührung. Selbstverständlich aber will ich Ihnen auch meine ganz persönliche Einschätzung desBegriffspaares nicht vorenthalten. In meinem erfahrungsabhängigen Verständnis derAusdrücke ist ein „Spießer“ jemand, der mit seinen Gefühlen geizt. „Kitsch“ hingegen meint die Anwendung großer und erhabenerBilder als Ersatz für ein genaues Hinsehen auf die Wirklichkeit.


Wenn der Katze noch ein Rest Mäusehirn amSchnauzbart klebt zum Beispiel. Oder der Apfel einen Wurm beherbergt: Dann spucken sie den Kitsch besser wieder aus!


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